Emil Bulls:
This is the time, this is the place for great revenge. This is the day to say fire-fuck you.“ „It’s over now. ... It’s unbelievable, now I just feel newborn.“
Zwei Textzeilen vom neuen Album der Emil Bulls: die eine unverhohlen angriffslustig und manowar-esk großkotzig, die andere hymnisch lebensfreudig und sich selbst auf die Schulter klopfend. Zwei lyrische Befreiungsschläge, die von neuem und altem Selbstbewusstsein künden und das Comeback einläuten: Emil Bulls sind wieder da: „The Southern Comfort“ ist das bisher dringlichste und eigenständigste Album der Band. Oder ganz verkürzt gesagt: 100 % bulls.vol. "Womit wir beim Thema wären: „The Southern Comfort“, der Titel des dritten regulären Albums der Band, klingt bei oberflächlicher Betrachtung wie eine augenzwinkernde Hommage an das zweitliebste Getränk der Jungs. Auf den zweiten Blick ist „The Southern Comfort“ aber vor allem ein Bekenntnis zur bayerischen Heimat oder – besser gesagt – Entspanntheit, die entgegen jeglichen Klischees nicht nur in einer bierdimpfelig-biederen Schunkelversion existiert.
„The Southern Comfort“ kann quasi als Leitmotiv für den gesamten Produktionsprozess verstanden werden. Denn statt in die spanische und schwedische Ferne zu schweifen wie bei der Produktion des Vorgängeralbums „Porcelain“, sind die fünf Burschen diesmal einfach zu Hause geblieben. Die Songs haben sie (oder sollte man besser schreiben „sich“?) zum Großteil in einem Ferienhaus am Chiemsee geschrieben.
Bulls-Sänger Christoph: „Obwohl oder wahrscheinlich gerade weil wir dort so zusammengepfercht waren, haben wir in zwei Wochen 17 brandneue Songs gemacht. Das war eine ganz besondere Atmosphäre.“ Inmitten von alpiner Idylle und feinstaubfreier Luft hat die Band sich locker gemacht, sich ausgetobt und sich dabei nicht um irgendwelche kompositorischen Konventionen geschert. Erste Rohfassungen der Songs wurden dann im bandeigenen Proberaum zwischen Blumenwiesen und Pferdekoppeln im südlichen Vorort-Nirgendwo von München eingespielt. Und das ganze Album wurde schließlich in einem kleinen Studio im Herzen der Landeshauptstadt aufgenommen und abgemischt – unter der Regie des Münchener Produzenten Klaus Scheuermann, selbst Sänger und Gitarrist bei der Punkrockband Farbe Fünf.
Bulls-Gitarrist Chrissy: „Weil Klaus selbst so viele Instrumente spielt, haben wir im Studio zum ersten Mal wirklich songorientiert gearbeitet und an allen Liedern so lange rumgeschraubt, bis sie für uns hundertprozentig funktioniert haben.“
Dass die Bulls dann auch noch beim Münchener Label Pirate Records unterschrieben, war dann fast schon die logische Konsequenz. Doch bevor es zu lokalpatriotisch wird: Pirate ging für „The Southern Comfort“ ein Joint Venture mit Track1, einem jungen amerikanischen Label, ein, das unter anderem die internationale Vermarktung des Albums vorantreiben wird.
„The Southern Comfort“ ist der vorläufige Höhepunkt eines Reife- und Selbstfindungsprozesses, der – wenig komfortabel – von der Auflösung des alten Plattenvertrags Anfang 2004 eingeläutet wurde. In der Zwischenzeit hatte sich auch noch der langjährige Bulls-Schlagzeuger Fini in Richtung Uni verabschiedet.
Alles in allem Schicksalsschläge, die manche Band bereits zur Aufgabe veranlasst haben. Doch Fortuna war in diesem Fall Emil Bulls-Fan: der grindcore-, funk- und schweinerockerprobte Münchener Schlagzeuger Fabian Füss, ein alter Bulls-Bekannter, bekam Wind von der Drummervakanz und bot der Band zu ihrer Freude seine Dienste an.
Die erste Dienstreise führte Fab mit der Band nach Kanada und New York, wo die Bulls im legendären Punkrock-Club CBGB’s aufspielten, und von da aus nach Bachham am Chiemsee, einem Ort von solch inspirativer Strahlekraft, dass er zum Namensgeber eines der Songs auf „The Southern Comfort“ avancierte.
Die Musik der Bulls ist aber nach wie vor weit davon entfernt, irgendwie gemütlich zu klingen, mal abgesehen vom fintenreichen Albumintro, das mit Trommelwirbel und Trompete um die Ecke geschlendert kommt. Bevor dann im eingangs zitierten Opener „Revenge“ der Rache-Rock-Sturm losbricht, konterkariert von der selbstironischen Erkenntnis „Our excesses are known, our success is not.“ Das zeugt gleichermaßen von musikalischer Ernsthaftigkeit und textlichem Witz.
Ein zweites Beispiel dafür: der Akustikgitarrensong „Friday Night“, der musikalisch so fragil wie lyrisch explizit ist. Ein weiterer Höhepunkt des Albums: „Newborn“, großer College-Poprock und der wohl positivste Emil Bulls-Song ever, in dessen Chorus die erfolgreiche Taldurchschreitung nach außen drängt.
Und ebenfalls furios: das Polterrock- und Klimperklavierstück „At Fleischberg’s“, das den Hörer in die gleichnamige, nicht genau lokalisierbare Stammkneipe der Bulls reißt, in der alles möglich sein soll. Denn: „Nothing exceeds like excess“.
Und dann gibt es da noch das galant am Kitsch vorbeikurvende „Mongoose“, in dessen Refrain der Himmel aufbricht, und das dynamische „Bachham“ mit seiner hymnischen Hookline und seinen SciFi-Serien-Synthies. Letztere wurden wie alle anderen Samples und Sounds von DJ Zamzoe beigesteuert, der die Bulls fortan aber nicht mehr auf Tour begleiten wird.
Nach siebenjähriger Tätigkeit als Soundtüftler der Bulls erfüllte sich Zamzoe den langgehegten Wunsch, an den Reglern eines Tonstudios zu arbeiten. Auch dies ein weiterer Schritt in eine neue Bulls-ära.
„The Southern Comfort“ ist nicht das sprichwörtliche „Album aus einem Guss“, wobei dieses Prädikat sowieso meist immer dann ausgepackt wird, wenn sich die Songs auf einer Platte mehr oder weniger gleich anhören. „The Southern Comfort“ ist schillernd facettenreich, aufwühlend und brachial, die Essenz des bisherigen Bandschaffens.
Das bei Kritikern so beliebte Vorbilder-Rate-Spiel funktioniert hier nicht mehr. Denn auf Albumlänge klingt keine Band wie die Emil Bulls. Wer das Gegenteil beweist, bekommt eine Maß Freibier. Ein Prosit der Gemütlichkeit.